Hallo und herzlich willkommen zu dieser Folge, „Aktiv zuhören und Sicherheit vermitteln“. Ich zeige Dir, welches Risiko es birgt, Ängste der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beschwichtigen. Du erfährst, wie Du mit aktivem Zuhören eine Kommunikation weiterführst, die drohte, in einer Sackgasse zu enden.
Mein Name ist Claudia Schulz, ich bin Inhaberin von Ereignis Coaching und Autorin. Seit 2011 arbeite ich als Coach für Wertschätzende Kommunikation und setze auf Wunsch meiner Kundinnen und Kunden Pferde ein. Die Unternehmen haben mich anfangs ziemlich belächelt als ich mit Wertschätzung und Pferden daherkam, dabei war der Bedarf an Wertschätzung in der Führungskultur damals schon ersichtlich. Abe noch nie erschien es mir so nötig wie heute, im April 2021, Wertschätzung im Miteinander hochzuhalten.
Dafür habe ich meinen Podcast ins Leben gerufen. „Wertschätzen und führen“ bringt Dir die mächtigen Möglichkeiten näher, die Du hast, um eine Kultur der Wertschätzung in Dein Team zu tragen. Du wirst an den Erlebnissen von Menschen teilhaben, die über ihren Schatten gesprungen sind. Und der Podcast bringt Dir die Werkzeuge näher, die Dich dabei unterstützen, über Dich selbst hinauszuwachsen. Wenn Du selbst etwas bewegen möchtest, dann ist dieser Podcast für Dich wertvoll. Sollte es Dir eher darum gehen, andere Menschen zu verändern, so wirst Du hier leider weniger fündig werden.
Der folgende Text ist die ungekürzte Transkription von „aktiv zuhören und Sicherheit vermitteln“, der 10. Folge des Podcasts „wertschätzen und führen“. Der Beitrag ist lediglich zwecks besserer Lesbarkeit mit Überschriften versehen. Das PDF der Transkription steht in Kürze zum Download bereit. Die Folge steht unter anchor.fm/claudia-schulz sowie auf weiteren Plattformen wie spotify, apple und amazon u.a. zur Verfügung.
Wer mag Kröten schlucken?
In das heutige Thema möchte ich mit jemandem einsteigen, die ich hier als Latifa bezeichnen möchte. Latifa, wurde eingestellt, um als Chefin einen neuen Geist in die Abteilung zu bringen, eine Abteilung, die recht eingespielte Strukturen hatte. Die Geschäftsführung hat große Hoffnungen in Latifa gesetzt. Sie sollte, wie der Geschäftsführer es ausgedrückt hat, „neuen Schwung in den Laden bringen.“ Latifa allerdings hat in einer der ersten Teamsitzungen erlebt, was viele Chefinnen erleben, die in Latifas Situation sind.
Eine der Mitarbeiterinnen, hier Susanna genannt, gehörte zu denjenigen, die mit verschränkten Armen auf ihren Stühlen saßen, Susanna ergreift das Wort.
„Chefin, wir haben Angst, dass wir Aufgaben von der anderen Abteilung übernehmen müssen. Damit gewinnen Sie bei uns keinen Blumentopf. Die neuen Aufgaben können Sie schön ohne uns verteilen.“
Boah. Das sitzt. Für manche Chefin mit langer Leitungserfahrung ist das eine ordentliche Kröte, die ihr da vorgesetzt wird. Und wer mag schon gerne Kröten schlucken? Auf der anderen Seite ist es ungünstig, ein Team gegen sich aufzubringen, ehe die eigentliche Arbeit überhaupt begonnen hat.
So ist es eine häufige Reaktion, durchaus in bester Absicht, zu beschwichtigen:
- „Warten Sie doch erst einmal ab“
- „so schlimm wird das nicht“
- „Sie werden die neuen Aufgaben kaum spüren“
- „Nur keine Sorge, dafür geben Sie doch andere Aufgaben ab.“
So verständlich eine Reaktion mit beruhigender Absicht sein mag – die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Susannas Situation werden sich in ihren Ängsten nicht ernstgenommen fühlen.
Ängste kennen keine Argumente
Das möchte ich mit Hilfe eines Tierchens verdeutlichen. Ausnahmsweise ist es kein Pferd, aber es ist mein absolutes Lieblingstier, wenn es darum geht, Ängste zu verdeutlichen. Es ist recht klein und hat acht Beine. Nein, ich spreche nicht von Zecken, auch wenn sie dazu gezählt werden: Ich spreche von Spinnen. Die meisten Spinnen, die hierzulande in Spinnennetzen wohnen, können den Menschen nichts antun. Sie beißen nicht. Und dennoch sind die Reaktionen vieler Menschen auf Spinnen beeindruckend. Ich kenne eine Tierarzthelferin, die ohne mit der Wimper zu zucken, jeden aggressiven Kampfhund aus seinem Zwinger geholt hat. Aber bei dem Anblick einer noch so kleinen Spinne ,hat sie schreiend, und ich meine wirklich schreiend, den Raum verlassen. Und jedes auch noch so gut gemeinte, „hey, Du nimmst es mit Kampfhunden auf, das ist doch lächerlich vor einer Spinne wegzurennen“, ist einfach verpufft. Nächste Spinne –gleiches Schauspiel. Ängste sind mit Argumenten selten zu bezwingen.
Auch ein Pflaster löst den Schmerz nicht auf, nur weil es über eine Wunde geklebt wird.
Ob Spinnen oder unbekannte Aufgaben, die verunsichern – Ängste lassen sich selten beschwichtigen. Das Bemühen zu beruhigen hat häufig eine gegenteilige Wirkung: Deine Mitarbeiterin oder Dein Mitarbeiter fühlt sich nicht verstanden oder ist sogar so gekränkt, dass Konflikte auf zwischenmenschlicher Ebene vorprogrammiert sind. Das gilt vor allem dann, wenn eine Aussage wie „die neuen Aufgaben können Sie schön ohne uns verteilen“ auch die Chefin auf die Palme bringt. Damit wächst das Risiko, dass die Kommunikation gestört ist oder abbricht. Denn wenn es auf der zwischenmenschlichen Ebene knirscht, dann ist meistens auch die Interaktion auf der Sachebene in Mitleidenschaft gezogen. Nur wenige Mitarbeiterinnen sind so trainiert, dass sie das trennen können.
Wie kannst Du mit einer Reaktion, wie der von Susanna, umgehen, um die Kommunikation zu befördern, will heißen, um Susanna zu signalisieren, „ich habe Dich verstanden“.
Aktives Zuhören
Eine Möglichkeit ist es, aktiv zuzuhören.
Was bedeutet aktiv zuzuhören?
Aktiv zuzuhören geht über passives Zuhören hinaus.
Passives Zuhören dürfte den meisten Hörerinnen und Hörern ein Begriff sein. Mit passivem Zuhören sind verbale oder non-verbale Signale gemeint, die verdeutlichen, „ich höre Dir zu, sprich nur weiter.“ Verbal ist ein ah oder ok oder ahom. Non-verbal ist es der Blickkontakt, Kopfnicken oder Lächeln.
Wenn eine Person aus einem Team aktiv zuhört, offenbart jene Person ihrem Gegenüber, was bei ihr angekommen ist. Sie wiederholt das Wesentliche dessen, was ihr Gegenüber gesagt hat. Wenn ich wiederholen sage, meine ich das wörtlich. Selbstredend ist nicht jedes einzelne Wort zu wiederholen, aber doch die Kernbotschaft, die wichtig ist, um mit dem Teammitglied im Gespräch zu bleiben. Insofern ist der Begriff aktives Zuhören ein wenig irreführend, da nicht nur zugehört, sondern auch gesprochen wird. Da es jedoch ein feststehender Begriff ist, habe ich ihn hier übernommen.
Thomas Gordon führt in seinem Buch „Die Manager-Konferenz“ eine Untersuchung an, die die Bedeutung des aktiven Zuhörens in der Personalentwicklung unterstreicht. Die Untersuchung habe zu dem unstrittigen Ergebnis geführt, dass „jede Person, die in irgendeiner Beziehung die Entwicklung und psychische Gesundheit einer anderen fördern will, zumindest 2 Faktoren einbringen muss: Empathie und Bejahung.“
Welche Führungskraft würde heute nicht psychische Gesundheit von Angestellten fördern wollen, wo doch psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch sind?
Wenn Chiara in dem obigen Beispiel schon das Kommunikationswerkzeug aktives Zuhören gekannt hätte, wie hätte sie auf Susannas Einwurf reagiert?
Die Kernbotschaft Wort für Wort
Susanna sagte, nochmals zur Erinnerung: „Chefin, wir haben Angst, dass wir Aufgaben von der anderen Abteilung übernehmen müssen. Damit gewinnen Sie bei uns keinen Blumentopf. Die neuen Aufgaben können Sie schön ohne uns verteilen.“
Die Chefin Chiara würde dann zurückgeben: „Sie haben Angst, dass Sie Aufgaben von der anderen Abteilung übernehmen müssen?“ – „Ja …. natürlich“, so oder so ähnlich würde Susanna daraufhin erfahrungsgemäß antworten.
Klingt das für Dich sonderbar?
Kein Wunder. Das ist es am Anfang wirklich. Ich stand dieser „Papageien-Technik“, wie ich sie anfangs genannt habe, recht skeptisch gegenüber und dachte immer: Das muss für den anderen doch komisch sein, wenn ich die Worte exakt wiedergebe. Aber, wie die anderen Werkzeuge, die ich Dir vorstelle, auch, ist das aktive Zuhören zigfach erprobt, und es funktioniert, wenn Du es tust. Sollte einmal die Ausnahme die Regel bestätigen und sich Dein Gegenüber dennoch verschaukelt fühlen, ist es hilfreich die Worte der anderen zu paraphrasieren oder die eigene Interpretation mitzuteilen.
Interpretationen sind allerdings ein echtes Thema für sich. Wer darauf neugierig ist, darf schon auf die nächsten Folgen gespannt sein.
In den Gesprächssituationen, die ich erlebt habe und die mir kolportiert wurden, haben sich die Personen gefreut, die eigenen Worte aus dem Mund anderer zu hören, was sie durch ein „Ja“ zum Ausdruck bringen.
Der Vorteil des „Ja“
Dieses „Ja“ hat für Dich als Führungskraft einen weiteren unschätzbaren Vorteil. Ein „Ja“ kommt dem Einverständnis Deiner Mitarbeiterin gleich, Dass Du weitersprechen kannst. Du bist wieder in einem Kommunikationsfluss. So hast Du die Chance herauszufinden, worin die Angst der Mitarbeiterin konkret liegt.
Daher macht es einen Unterschied, ob Chiara zu Susanna sagt:
- „Sie haben Angst, dass Sie Aufgaben von der anderen Abteilung übernehmen müssen?“
oder - „Sie machen sich Sorgen, dass Sie mehr arbeiten müssen?“
Beim letzterem Satz könnte für Susanna mitschwingen, „Mensch, die Chefin denkt ich bin faul, dabei habe ich einfach Angst, dass ich den neuen Aufgaben nicht gewachsen bin. Und wie soll ich das überhaupt schaffen? Wird sie mir meine Lieblingsaufgaben wegnehmen?“
Ich sage Dir, es ist unglaublich, welch gigantische Probleme Formulierungen auslösen können, die sich ähneln, jedoch nicht identisch sind. Großes Kopfkino.
Daher rührt es, dass ich mein Verständnis von aktivem Zuhören enger gefasst habe als beispielsweise Thomas Gordon oder Lindemann, Mayer und Osterfeld. Die Autoren unterscheiden in Bezug auf aktives Zuhören nicht zwischen einer Beobachtung und einer Interpretation. Der Vorteil meines engeren Verständnisses ist es jedoch, dass Du Dir diese Art des aktiven Zuhörens rasch aneignen kannst. Als Führungskraft kannst Du Deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schneller zeigen, dass Du sie verstanden hast.
Ich will Dir nicht vorenthalten, dass es eine ordentliche Portion Konzentration auf Dich zukommen wird und Du Deine Achtsamkeit tüchtig schulen wirst. Das ist zunächst anstrengend. Doch den Nutzen, den Du daraus ziehst, Kernsätze Deines Gegenübers wiederzugeben, wirst Du sehr bald zu schätzen wissen.
Wenn es Dir im Arbeitsumfeld schwerfällt, lässt es sich prächtig im Freundes- oder Familienkreis üben, aktiv zuzuhören.
Zusammenfassung
Fassen wir zusammen:
Es lohnt sich, wenn Du Dich darin übst, aktiv zuhören. Was bedeutet das? Wenn Du aktiv zuhörst, schenkst Du den Sätzen, die wie ein persönlicher Angriff wirken und persönliche Befindlichkeiten befeuern könnten, zunächst keine Beachtung. Stattdessen gibst Du die Aussagen, die es Dir ermöglichen, über die inhaltlichen Probleme zu sprechen, wortwörtlich wieder.
Fragst Du Dich, wie Du mit den persönlichen Angriffen umgehen kannst? Dann bist Du herzlich eingeladen, meinen Podcast zu abonnieren. Antworten auf diese und andere Frage geben kommende Folgen.
Ich sage tschüs!
Bis zum nächsten Mal.
Quellennachweise
Thomas Gordon: Manager-Konferenz. Effektives Führungstraining. 2005 (4. Auflage dieser Ausgabe)
Holger Lindemann et al.: Systemisch-lösungsorientierte Mediation und Konfliktlärung. 2018