Stell Dir eine Fotografie vor, auf der eine Hochhaussiedlung abgebildet ist. Farblose, schmutzige Gebäude drängen sich dicht aneinander. Vereinzelt sind grüne Bäume vor den Türmen abgebildet, die etwas Farbe in das graue Einerlei tupfen.
Es dräut ein Gewitter. Der Himmel ist schwarz, die Wolken hängen tief und muten bedrohlich an. Lediglich an einer Stelle ist die dunkle Masse aufgerissen und die Sonne scheint durch.
Wir haben die Wahl, welchen Ausschnitt dieses Bildes wir in Augenschein nehmen. Blicken wir, wie durch ein Fernglas, ausschließlich auf den dunklen Himmel, wird uns eher unheimlich zumute. Konzentrieren wir uns auf die graue Betonwand, wird uns eher Mutlosigkeit oder Lustlosigkeit ergreifen. Mit den grünen Bäumen vor Augen vertrauen wir möglicherweise auf die Unerschütterlichkeit der Naturgesetze. Betrachten wir den hellen Fleck, sehen wir einen Silberstreif am Horizont und schöpfen wieder Mut.
Bei all diesen unterschiedlichen Gemütsregungen bleibt es ein und dasselbe Bild.
In unserem „richtigen“ Leben verhält es sich ähnlich. Wir wählen einzelne Bruchstücke aus unzähligen Sinneseindrücken aus, die auf uns einstürmen. Indem wir unsere Wahrnehmung bewusst oder unbewusst auf verhältnismäßig wenige Teilbereiche konzentrieren, bleiben große Bereiche außerhalb unseres Sichtfeldes. Diese sind, wie auf dem virtuellen Bild, gleichwohl vorhanden. Lediglich dadurch, dass wir sie ausblenden, erscheinen sie nicht existent. Diese menschliche Eigenschaft wirkt sich heftig auf unser Verhalten aus.
Kritik zieht Energie ab
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Kritik das wichtigste Instrument ist, um Dinge zu benennen, die jemandem nicht gefallen haben, und um Menschen oder das Verhalten von Menschen zu verändern. Der springende Punkt dabei ist, dass jede einzelne Person einen größeren Gesamtauschnitt des eigenen Lebens wahrnimmt als andere das können. Wenn ich eine andere Person kritisiere, ist das Risiko enorm hoch, dass diese Person sich ungerecht behandelt fühlt. Der „Bildausschnitt“, den die kritisierte Person sieht, zeigt sehr wahrscheinlich neben der einen Unzulänglichkeit andere Dinge wie Fleiß, Pünktlichkeit, Kollegialität oder ähnliche Tugenden. Selbst wenn eine kritisierte Person einsieht, dass sie etwas getan hat, was nicht so funktioniert hat wie es sollte, bleibt oftmals nach dem Verweis ein schales oder schlechtes oder bedrückendes Gefühl: In der eigenen Not nicht wahrgenommen und unangemessen behandelt worden zu sein.
Die meisten Menschen wollen derartige Umgangsformen nicht mehr hinnehmen. Unternehmer’innen, die ihre Mitarbeiter’innen an ihren Betrieb binden wollen, sind gut beraten, ein weiteres Instrument in ihren Werkzeugkoffer aufzunehmen um das Sichtfeld ihres Fernglases zu erweitern.
Anerkennung baut Energie auf
Anerkennungen rücken die Handlungen in den Vordergrund, die jemanden inspiriert haben. In diesem Sinne ist eine anerkennende Haltung selbst in Momenten möglich, in denen jemand von aufwühlenden Emotionen erfasst wird. Nehmen wir an, einem Mitarbeiter ist bereits zum dritten oder vierten Mal der gleiche Fehler unterlaufen. Die Führungskraft wird von Wut erfüllt. Damit hat sie, um bei dem oben beschriebenen virtuellen Eingangsbild zu bleiben, lediglich den schwarzen Himmel vor Augen. Der Mitarbeiter, der wiederholt einen Fehler gemacht hat, wird wahrscheinlich ebenso den dunklen wie den hellen Himmel registrieren und wahrscheinlich einige grüne Bäume obendrein.
Führungskräfte, denen es gelingt, ihre Perspektive zu erweitern und diese Gesamtsicht in Krisenmomenten aufrecht zu erhalten, haben ein sehr mächtiges Instrument in der Hand, um die Fehlerquoten in ihrem Betrieb zu senken. Anerkennungen dienen demnach auf keinen Fall dazu, die Dinge schönzureden, über die sich jemand geärgert hat. Es wird nicht gelingen, dunkle Wolkenmassen dauerhaft zu ignorieren. Irgendwann wird der Regen kommen und dann wird es richtig ungemütlich werden. Anerkennungen dienen vielmehr dazu, die Silberstreife neben den Gewitterwolken zu sehen. Wer diese Richtung konsequent verfolgt, wird feststellen, dass sich die eigenen Bilder aufhellen. Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass es keine dunklen Wolken mehr gäbe. Aber sie werden sich seltener über den gesamten Himmel erstrecken.
Das ist es, worum es bei Anerkennung geht: Auch die Dinge in Augenschein zu nehmen, die funktioniert haben. Das ist nicht zu verwechseln mit der Sandwich-Technik, die Führungskräfte gelernt haben, Lob – Kritik – Lob (was Anerkennung von Lob unterscheidet).
In den Frauentrainings mit echten 4 PS erleben Frauen, wie Anerkennungen wirken. und trainieren Kommunikationwerkzeuge, die gut funktionieren.
Warum Einfaches Feedback zielführender ist als Kritik erfährst Du im nächsten Artikel.
Die Autorin
Claudia Schulz, M.A., ist Inhaberin von Ereignis Coaching – dem Coaching mit PS. Sie ist Expertin darin, aus Teams, die einen hohen Frauenanteil haben, fantastische Frauenteams zu machen, in denen auch Männer gerne arbeiten.